Gestern waren sie noch Staats- und
Stadtfeinde Nr. 1, „unerwünschte Gäste“, gesetzlose Randalierer und
Vollgasidioten, die eine massive Gefahr für die Sicherheit und Ordnung
darstellten.
Heute ist alles ganz anders.
Eigentlich sind sie nämlich gar nicht so. Und eigentlich wollen sie nur spielen
und brauchen eigentlich nur ein bisschen Platz. Und ein bisschen Regeln.
Aber im Grunde liebt man sie, weil
sie nach Limburg kommen und auch ein Wirtschaftsfaktor sind und gerne gesehene
Gäste, wenn nicht gar Bürger, zum Teil und … so weiter und so fort.
Das Ordnungsamt will mit den
Autofreunden ganz schnell an einen Tisch, der 1. Stadtrat findet sie eigentlich
doch gar nicht schlimm, der Cityring braucht sie und die Polizei hatte im
Prinzip noch nie etwas gegen sie. Zumindest liest sich das in der aktuellen
Ausgabe der lokalen Weltpresse so.
Spannend.
Die Hexenjagd auf die Tuner-Szene,
wie sie der Sheriff von Limburg und seine Deputies betrieben haben, die
peinliche Niederlage vor Gericht und der Ablauf des Treffens am ICE Bahnhof
haben in Medien, deren Existenz von den Stadtgewaltigen bislang maximal als zu
vernachlässigende bis lästige Randerscheinung wahrgenommen wurde, hohe Wellen
geschlagen.
Das hat den sowieso schon demolierten
Ruf Limburgs bundesweit massiv weiter beschädigt.
Das Echo der öffentlichen Empörung hallte
am Ende dann sogar an der Betontrutzburg Rathaus wider, brachte einige
Kaffeetassen zum Klirren, und sorgte bei den verbeamteten Wahlkämpfern in den
Büros sowie bei parteigebundenen Interessenvertretern außerhalb für einen
Anflug von Panik. Denn es beschlich den einen oder anderen eine entsetzliche
Erkenntnis: Was Auto fährt, hat am 14. Juni auch eine Stimme.
Und nun macht plötzlich in
diesen Kreisen, die gemeinhin als „unpolitisch“, „ahnungslos“ und „desinteressiert“
betrachtet wurden, das unerhörte „W“-Wort die Runde. WAHLEN. Ganz offen
sprechen die Betroffenen, Gejagten und Schikanierten davon, dass nicht nur
Abstimmungen mit den Füßen möglich wären, sondern auch mit den Reifen, sozusagen.
Etwas Unerhörtes geschieht zur Zeit in Limburg: Junge Menschen drohen damit,
ZUR WAHL des Bürgermeisters zu gehen!
Die nun unmittelbar folgenden
Versuche, die Zahnpasta zurück in die Tube zu bekommen, auf der man gerade noch
plattfüßig getrampelt ist, sind höchst amüsant zu beobachten. Es werden Worte
gemacht. Ziemlich viele sogar.
Doch im heiligen Bestseller heißt es:
„An ihren Taten sollt ihr sie erkennen nicht an ihren Worten.“
Und die waren eindeutig und mehr als
erklärungsbedürftig. Mit den tagesaktuellen Lippenbekenntnissen jedenfalls
hatten sie gar nichts zu tun. Nachdem sich Polizei und Ordnungsamt bezüglich
ihrer Aktivitäten am ICE-Bahnhof am 30. April und 1. Mai ein Schweigegelübde
auferlegt hatten, richtete ich an beide Institutionen je einen Fragenkatalog.
Nun liegen endlich Reaktionen vor.
Hier zunächst einmal jeweils im
Wortlaut Fragen und Antworten.
Fragen
an die Polizei Limburg:
1.) Wurde der Polizei Limburg von
Seiten des Magistrats Limburg mitgeteilt, dass das Verwaltungsgericht Wiesbaden
das Verbot der Stadt Limburg am Abend des 29.4.2015 aufgehoben hatte?
2.) Falls ja, wann geschah das?
3.) Welche Instruktionen erhielten
die Polizeikräfte für die Zeit vom 30.4.2015 00:00 bis 1.5.2015 02:00 Uhr?
4.) Es steht zu vermuten, dass das
Einsatzkonzept der Stadt Limburg auf eine Durchsetzung des Verbots ausgerichtet
war und dies von der Polizei gefordert wurde. Wurde vor dem 30.4.2015 00:00 Uhr
ein geändertes, der Rechtslage angepasstes Konzept erarbeitet?
5.) Falls ja, wurde dies der Polizei
kommuniziert?
6.) Falls ja, durch wen an wen?
7.) Wurden die eingesetzten
Polizeikräfte bezüglich der geänderten Rechtslage informiert, die ggf. eine
Verpflichtung der Polizei zur Durchsetzung der Verbotsaufhebung implizierte?
7.) Falls es ein geändertes
Einsatz-Konzept gab, in welcher Hinsicht unterschied es sich vom
Verbotskonzept?
8.) Die Verkehrsführung am
ICE-Gelände wurde so geändert, dass eine Einbahnstraßenreglung getroffen wurde
und Parkmöglichkeiten weitestgehend verwehrt wurden. Hat die Polizei diese
Änderung der Verkehrsführung angeordnet?
9.) Wann wurden die betreffenden
Absperrungen errichtet und die Verkehrsregelung entsprechend getroffen?
10.) Unterschied sich die
durchgeführte Absperrung und Verkehrsregelung von der für die
Verbotsdurchsetzung geplanten? Falls ja, wie?
Antwort der Pressestelle der Polizei Limburg:
Vorauszuschicken
ist, dass das Verwaltungsgericht Wiesbaden nicht die Aufhebung der
Allgemeinverfügung beschlossen hat, sondern die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs wieder hergestellt hat. Die Hauptsache wurde nicht verhandelt!
Dieser
Umstand wurde der Polizeidirektion Limburg-Weilburg schon am Abend des
29.04.2015 mitgeteilt.
Das
Einsatzkonzept wurde durch die Polizei entsprechend angepasst.
Einsatztaktik
wird grundsätzlich nicht nach außen kommuniziert!
Um die An-
und Abfahrten insbesondere zum ICE-Gelände und der dortigen Krankenhausapotheke
aufrecht zu erhalten, wurde die Verkehrsführung von der Stadt Limburg geändert.
Die
grundsätzliche Intention der Polizeiführung in Absprache mit der Stadt Limburg
lag in der Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs,
insbesondere war ein Erliegen des Verkehrs auf der angrenzenden Autobahn zu
verhindern. Auch durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtes gab es weiterhin
keine offizielle Veranstaltung „Ras in den Mai“. Das heißt: soweit der
öffentliche Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus genutzt wird, handelt
es sich um eine Sondernutzung, die genehmigungspflichtig ist. Das
Zurschaustellen von Fahrzeugen auf den Straßen und dazugehörigen Anlagen, mit
dem einhergehenden Zuschauerandrang ist eine Sondernutzung. Eine Genehmigung
lag mangels verantwortlichem Veranstalter nicht vor. Aufgrund des starken
Besucherandranges konnte der Verkehr im ICE-Gebiet nicht so im Fluss gehalten
werden, dass es nicht doch zu Verkehrsstockungen im Ausfahrtsbereich der
Autobahn kam, weshalb eine temporäre Sperrung der Zufahrt zum ICE-Gebiet
notwendig war.
Fragen
an die und Antworten der Stadt Limburg (Pressestelle)
1.) Wurde den eingesetzten Kräften
des Ordnungsamts mitgeteilt, dass das Verwaltungsgericht Wiesbaden das Verbot
der Stadt Limburg am Abend des 29.4.2015 aufgehoben hatte?
Antwort: Den Kräften des Ordnungsamtes wurde mitgeteilt,
dass der Sofortvollzug der Allgemeinverfügung aufgehoben wurde.
2.) Falls ja, wann geschah das?
Antwort: Donnerstag, 30. April 2015.
3.) Welche Instruktionen
erhielten die Kräfte des Ordnungsamts?
Antwort: Auf Grund der Aufhebung des Sofortvollzuges hatten
die Einsatzkräfte des Ordnungsamtes den Auftrag, die Sicherheit und
Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten.
4.) Es steht zu vermuten, dass
das Einsatzkonzept der Stadt Limburg auf eine Durchsetzung des Verbots
ausgerichtet war. Wurde vor dem 30.4.2015 00:00 Uhr ein geändertes, der
Rechtslage angepasstes Konzept erarbeitet?
Antwort: Nein. Am Donnerstag, 30. April 2015, 09:00 Uhr.
5.) Falls ja, wurde dies
kommuniziert?
Antwort: Den Pressevertretern wurde eine entsprechende
Auskunft auf Anfrage gegeben.
6.) Falls ja, durch wen an wen?
Antwort: An die NNP und Dieter Fluck durch den Leiter des
Ordnungsamtes.
7.) Falls es ein geändertes
Sicherheits-Konzept gab, in welcher Hinsicht unterschied es sich vom
Verbotskonzept?
Antwort: Die Allgemeinverfügung wurde nicht umgesetzt.
8.) Die Verkehrsführung am
ICE-Gelände wurde so geändert, dass eine Einbahnstraßenreglung getroffen wurde
und Parkmöglichkeiten weitestgehend verwehrt wurden. Wer hat wann diese
Änderung der Verkehrsführung angeordnet?
Antwort: Alle Straßenrandparkplätze im ICE-Gebiet standen
uneingeschränkt am Donnerstag, 30. April 2015 ganztägig zum Parken von
Kraftfahrzeugen zur Verfügung. Durch die angeordnete geänderte Verkehrsführung
wurden keine Straßenrandparkplätze gesperrt. Die Straßenverkehrsbehörde der
Kreisstadt Limburg a. d. Lahn hat die geänderte Verkehrsführung am Montag, 20.
April 2015 angeordnet.
9.) Wann wurden die
betreffenden Absperrungen errichtet und die Verkehrsregelung entsprechend
getroffen?
Antwort: Die erforderlichen Verkehrszeichen und
-einrichtungen wurden durch die Beschäftigten des städtischen Betriebshofes in
der Zeit von Dienstag, 28. April bis Donnerstag, 30. April 2015, 15:00 Uhr,
aufgestellt und am 01. Mai 2015 wieder abgebaut.
Die
verkehrsbehördliche Anordnung wurde am Donnerstag, 30. April 2015, 15:00 Uhr,
wirksam.
10.) Unterschied sich die
durchgeführte Absperrung und Verkehrsregelung von der für die
Verbotsdurchsetzung geplanten? Falls ja, wie?
Antwort: Nein, die verkehrsbehördliche Anordnung war nicht
Bestandteil der Allgemeinverfügung.
Was
wurde nun wirklich gesagt?
Es ist offensichtlich, dass sich
Polizei und Ordnungsamt in ihren Äußerungen abgesprochen haben. Natürlich
versucht die Polizei dabei, auf gar keinen Fall dem Stadtsheriff zu
widersprechen. Am einfachsten ist es natürlich, sich dabei auf interne
polizeitaktische Erwägungen zurückzuziehen, die nicht öffentlich debattiert werden
dürfen.
Die rechtlichen Würdigungen der
Umstände ist jedoch geradezu sensationell bemüht. Nach Lesart der Polizei gab
es keine Veranstaltung „Ras in den Mai“, die vom Verwaltungsgericht erlaubt
wurde. Aber die Stadt Limburg hatte eine solche Veranstaltung explizit
VERBOTEN, das Gericht das Verbot faktisch ausgesetzt. Minus mal minus ist plus.
Und nach dem Verbot des Verbots war „Ras in den Mai“ ergo erlaubt!
Das „Argument“ Flüssigkeit und
Leichtigkeit des Verkehrs“ ist insofern absurd, als diese ja erst durch die Verkehrsführung
durch die Stadt Limburg gestört wurden. Falls es an der Kreuzung zur B8 zu Staus
auf den Abbiegespuren kam, dann doch nur, weil das Ordnungsamt diese in einen
Flaschenhals kanalisiert hatte. Um die Flüssigkeit und Leichtigkeit des
Verkehrs herzustellen, hätte die Polizei das Ordnungsamt anweisen
müssen/können, die Absperrungen zu beseitigen! Das tat sie jedoch nicht,
sondern sperrte die Zufahrt kurzerhand.
Geradezu grotesk wird es bei der
Argumentation der „übermäßigen Straßennutzung“. Folgt man dieser, dürfen
Tuningfahrzeuge in Zukunft überhaupt nicht mehr auf öffentlichen Straßen
fahren, weil der Besitzer diese in der Regel ja extra zu dem Zweck verändert,
DASS sie gesehen werden! Also handelt es sich um ein permanentes Zurschaustellen,
sobald er unterwegs ist. Oder nicht?
Schräg ist auch, dass eine Wertung
und Gewichtung vorgenommen werden soll, warum jemand irgendwo hinfährt bzw.
dort hält. Da gibt es auf einmal böses Halten (mit Freunden treffen), das aber
auf gar keinen Fall geht.
Was ist denn nun zum Beispiel mit der
Einmündung an der B8, die kurz vor oder hinter der Auffahrt LM-Süd liegt, je
nachdem, von wo man kommt. Es ist öffentlicher Verkehrsraum, in dem sich
ständig LKW- und PKW-Fahrer treffen, um dort Waren zu übergeben und umzuladen.
Sie stehen dort herum und belegen Parkraum. Handelt es sich hier dann NICHT um
eine übermäßige Straßennutzung? Hat irgendjemand irgendwann einmal erlebt, dass
die Polizei dort gehalten hätte, die Wagen kontrolliert und „Platzverweise“
ausgesprochen hätte?
Die Einlassungen der Stadt Limburg
zum Thema sind noch spannender und entlarvender.
Amüsant ist, wie durch gezieltes
Missverstehen Antworten vermieden werden. Die Frage war sicher nicht, ob ein
geändertes Einsatzkonzept der Presse (hier auch interessant: die Selektivität…)
mitgeteilt wurde. Die Frage war, was den Einsatzkräften erzählt wurde und wann.
Absurdes Theater ist die Angabe,
Aufgabe der Hilfspolizisten sei es gewesen, „die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten“. Dies ist
explizit eine hoheitliche, polizeiliche Aufgabe. Hilfspolizei ist maximal für
RUHENDEN Verkehr zuständig und hat keinerlei Rechtsbefugnis, in FLIEßENDEN
Verkehr einzugreifen. De Jure hätte die Polizei vor Ort JEDEN Hipo von der
Straße jagen müssen (Platzverweis…) und gegen jeden ein Ermittlungsverfahren
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr einleiten, der vor ein Auto
sprang, um es anzuhalten.
Geradezu
albern ist die Behauptung, die geänderte Verkehrsführung sei gar nicht Bestandteil
der vom Gericht kassierten Allgemeinverfügung gewesen. Sie
gehörte zu den beschlossenen Maßnahmen, dieses Verbot durchzusetzen – und wurde
nicht aufgehoben.
Zusammenfassend lässt sich sagen,
dass das Ordnungsamt in seinen Äußerungen nunmehr genau das zugibt, was die
ganze Zeit schon als Verdacht im Raum stand.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts
wurde schlicht ignoriert. Alle Maßnahmen, Tuner im ICE-Gebiet zu jagen und zu
vertreiben wurden genauso durchgeführt, wie die Stadt es zur Durchsetzung des
rigorosen Verbots geplant und vorbereitet hatte.
Genau dieses Amt bzw. sein
allgewaltiger Leiter bietet nun wolfskreidig den Verfolgten an, sich mit ihm an
einen Tisch zu setzen, um „gemeinsame Lösungen“ zu finden.
Warum sollte irgendjemand irgendein
Wort von dem glauben, was jetzt gesagt wird?
Die nächste Veranstaltung ist
offenbar für den Herbst geplant.
Aber da ist die Bürgermeisterwahl
längst Geschichte…