Wenn in Limburg Menschen mit
Blöcken und wichtigen Gesichtern herumlaufen und sich an allen möglichen Ecken
Notizen machen, verheißt das in der Regel nichts Gutes. Dann schickt nämlich
die Verwaltung ihre Agenten auf die Straße um „Daten zu erheben“, auf deren
Basis dann irgendetwas verordnet, verkündet, vergebührt werden wird. Ob es
irgendwas mit dem zu tun hat, was die Notizenschreiber eruiert haben, ist sowieso
nicht nachprüfbar.
Was es aber mit schönster
Regelmäßigkeit ist: Zum Nachteil der Bürger.
Als vor einiger Zeit „Begehungen“
in der Limburger Altstadt stattfanden, ahnten die ansässigen Geschäftsleute
bereits, dass da in nicht allzu ferner Zukunft irgendwas auf sie zukommen
würde.
Nun ist es da, pünktlich zu
Saisonbeginn der Gastronomie. Das heißt, nicht pünktlich, denn wir sind ja in
Limburg und dort sind der Verwaltung oft genug Entscheidungen und Bescheide nur
unter Androhung unmittelbaren Zwangs zu entlocken.
Drehleiteranfahrtsweg frei |
Die Sonne kam, die Gastronomen,
die allesamt ihre Freiflächen zum großen Teil überpünktlich beantragt hatten,
platzierten ihre Tische und Stühle dort, wo sie das immer getan hatten.
Dürfen sie aber gar nicht,
mussten fast alle einige Wochen später erfahren, als viel zu spät die
schriftlichen Bescheide eintrudelten. Denn dem überwiegenden Teil der
Gastronomen der Limburger Altstadt wurden ihre Stellflächen unter freiem Himmel
ohne jede Begründung oder Erklärung zum Teil auf 1/3 (in Worten: EIN DRITTEL)
der vormaligen Stellfläche reduziert.
Seitdem fragt sich ein Großteil
der Limburger Altstadtgastronomie, was sie denn den hohen und niederen Herren
im Rathaus getan hat. Die Gastwirte zahlen eine nicht unerhebliche Pacht für
die Flächen, zahlen ihre Steuern (die meisten jedenfalls, dem Vernehmen nach)
und verköstigen die Touristen, von denen nach dem Willen der Herrscher an der
Lahn gar nicht genug nach Limburg kommen können. Sie boten den
Kurzzeitbesuchern auch Platz zum Verweilen. Doch von dem gibt es jetzt nur noch
die Hälfte, wenn überhaupt. Die Limburger Altstadt wird gastronomisch zur
Stehtheke.
Einen großen Teil ihrer Umsätze
erzielen die Wirte mit dem Außenbereich in der schönen Jahreszeit. Dass einige
durch diese Beschneidung in existenzielle Probleme kommen werden, ist
abzusehen. Und es interessiert bei der Stadtverwaltung Limburg niemanden auch
nur ansatzweise.
Nachfragen nach Gründen brachte
für viele nur ein kafkaeskes Spießrutenlaufen. Zuständig ist keiner oder der
Kollege oder der Kollege Niemand, der gerade Urlaub/Krank/Besprechung/Dienstreise
hat. Und sich meldet, wenn man seinen Namen hinterlässt.
Jaja.
Einem hartnäckigen Frager ist es
dann doch gelungen, eine Art von Auskunft zu erhalten. Brandschutz heißt das
Zauberwort.
Es müsse jederzeit gewährleistet
sein, dass eine drei Meter breite Durchfahrt für Rettungsfahrzeuge bleibt. Und
außerdem solle man froh sein, überhaupt etwas zu bekommen. Man könne nämlich
auch einfach jede Genehmigung versagen.
Selbstredend ist Brandschutz in
einer eng bebauten, historischen Altstadt ein Thema. Nur als Begründung für die
Flächenreduzierung hinkt er auf allen verfügbaren Beinen. Gastronomische
Bestuhlung ist mobil. Und im Brandfall zur Seite geräumt, noch bevor die
Feuerwehr überhaupt in der Nähe ist. Dazu kommt, dass die Bestuhlung nie
unbeaufsichtigt herumsteht. Das heißt, wer immer sich dort aufhält, wird in
jedem Fall rechtzeitig einen Brand bemerken, der einen Feuerwehreinsatz
erfordert.
Zukunft der Altstadt |
Der Wagemutige, der sich nicht
zähneknirschend und hasenfüßig in bester (schlechtester) Limburger Manier mit den
Willkürakten abfinden wollte, stellte dann eine Frage, die das verwaltungstechnische
Gegenüber ins Stottern brachte. Was denn mit Großveranstaltungen in der
Altstadt sei? Wie es denn da mit dem Brandschutz aussähe, wollte der
Betreffende und Betroffene wissen. Wenn Tausenden von Menschen, Biergondeln,
Zelte, Buden und Bühnen das Durchkommen in allen Gassen schon für Fußgänger
unmöglich machten? Wie sieht es denn mit dem Flohmarkt aus, wenn Tausende von
Tonnen Altware auf Tapeziertischen und heftigeren Bauwerken lagern. Socken-,
Mantel-, Weißdergeiermärkte. Lichterfeste mit offenem Feuer, Nackte in
Schaufenstern, Nachteinkauf mit auf die Straße geräumter Ware?
Im Rahmen des Grundsatzes „gleiches
Recht für alle“ wären unter Brandschutzgesichtspunkten derlei Veranstaltungen
nicht mehr genehmigungsfähig.
Jaja, das wäre dann das Nächste,
durfte der Frager hören. Und mehr noch. Der Mensch aus dem Bauch des Wals
(Rathaus), verstieg sich zu einer Indiskretion. Es sei auch geplant, auf den
Einzelhandel nicht zu- sondern loszugehen. Stehende und hängende Schilder
sollten verschwinden, genauso wie gestaltete Schaufenster die nicht „zur Farbe
passten“.
Mittelfristig sei es das Ziel, so
musste der erstaunte Frager vernehmen, den Einzelhandel und das Gewerbe völlig
aus der Altstadt zu vertreiben!
Es hat also irgendwo in
irgendeinem Hinterzimmer wieder einmal irgendwer einfach so beschlossen, wie er
persönlich sich die Stadt für das Wohl seiner ganz besonderen Freunde
vorstellt. Mit Betroffenen hat selbstredend noch nie einer ein Wort gewechselt.
Wohin die Reise gehen soll, kann man sich schon denken. Da gibt es hinter dem
Bahnhof nämlich einen Konsumpalast, in den man so ungefähr alle Geschäfte notfalls
mit nackter Gewalt treiben will und bei dessen exzessiver Flächenvergrößerung
erheblicher Leerstand zu befürchten ist. Ist dort vielleicht auch schon
heimlich ein Gastroparadies geplant, dem die Altstadtcafés und –lokale im Wege
wären?
Links im Bild: Böse Dinge |
Die Limburger Altstadt besteht
aus Wohn- und Geschäftshäusern und Gastronomie. Seit Jahrhunderten. Die Häuser sind
genau zu diesem Zweck gebaut. Zum Teil sind sie seit vielen Generationen in
Familienbesitz und Handwerk und Gewerbe werden dort genauso lange bereits betrieben.
Der Mensch in leitender Position
im Rathaus, der sich verplappert hat, ging noch weiter. Er gab zu, dass der
Brandschutz der einzige rechtliche Hebel sei, den man gefunden habe, um das
eigentliche Ziel zu erreichen. Beseitigung des Handels und der Gastronomie aus
der Altstadt.
Was stattdessen dort stattfinden
soll, die Auskunft blieb er schuldig. Da bleibt eigentlich nur eine Lösung. Die
Limburger Altstadt wird Freilichtmuseum. Vielleicht sollen die Gewerbeteile der
Häuser auf mittelalterliches Niveau zurückgebaut werden. Selbstredend zu Lasten der Eigentümer. Die Besitzer werden dann
mit einer Verordnung gezwungen, dort kostümiert den rudelnden Touristen 17.
Jahrhundert vorzuspielen. Ein Zaun oder auch der Wiederaufbau der Stadtmauer
wäre der nächste Schritt und: Eintritt. Anwohner dürfen sich mit Leinenbändchen
an der Hand kennzeichnen. Abzuholen in einem in Dauerräumungsverkauf wegen Umzugs befindlichen Teppichgeschäft. Der Einlass könnte als „freiwilliger Unkostenbeitrag“
von der lokalen Krämervereinigung kassiert und für eigene Zwecke vereinnahmt
werden (besagte Vereinigung hat sich übrigens zu dem Thema zu keinerlei
Äußerung herabgelassen; läuft sie doch Gefahr bei Gleichbehandlung ihren großen
Selbstbedienungsladen Altstadtfest zu verlieren…).
Ist das die Zukunft, die man sich
für die Limburger Altstadt vorstellen muss?
Hessenpark 2.0?
Der historischen Altstadt droht
wieder einmal akute Gefahr aus dem Rathaus und den Mauschelzimmern. Und wie
immer wird über Bürger, Geschäftsleute und Hausbesitzer nur gesprochen.
Nicht mit ihnen.
Niemand weiß wirklich, was hier
wieder von wem geplant wird.
Und wie üblich werden die
Betroffenen nicht gefragt.