Mehrere Jahre lang erklärte die
Stadt Limburg einige enge Straßen der Altstadt zu einer Art Autobahn für den
Schwerlastverkehr und bis zu drei Dutzend 40-Tonner (und oft genug mehr und
schwerere Fahrzeuge) quälten sich täglich bergauf und bergab. Mit Folgen, nicht
nur für die Einrichtung und Nerven der unmittelbaren Anwohner. Ein Blick auf
das geschmacksbefreite Waschbetonwürfelpflaster genügt auch nicht Eingeweihten
um zu erkennen, dass hier ein ganzer Berg bewegt wurde.
Die Schäden sind nicht zu
übersehen.
Eigentlich.
Denn Bemerkenswertes weiß nun das
Gutachten zu berichten, das unlängst vorgestellt wurde und Antworten auf die
Frage zum Inhalt haben sollte, wie stark die Straßen der Limburger Altstadt
durch die Tiefbohrunternehmungen gegenüber dem Dom demoliert wurden.
Der unbefangene Beobachter
respektive Zuhörer hatte dabei ein massives déjà vu Erlebnis.
Alles ist nicht so schlimm, bekam
man zu hören, alles was bislang berichtet wurde ist falsch und völlig
übertrieben und die Kosten sind sehr, sehr viel niedriger.
So wie man es wieder und wieder
und wieder bei der Bischofsresidenz an sich gehört hat, nur waren es keine
kirchlichen Verlautbarungen aus obskuren Geheimgremien oder durch hauptamtliche
Abwiegler und Verschweiger. Es war vielmehr eine städtische Veranstaltung, in
der „objektive“ Fakten dargebracht werden sollten.
Erstaunliches kam dabei zu Tage.
Eigentlich sind nämlich überhaupt keine Schäden an Straßen entstanden, durfte
man erfahren. Und die, die nicht entstanden sind, sind erstens viel geringer
und zweitens sind die Stadt und ihre Bewohner zu einem Großteil selbst an allem
schuld, haben sie doch in den Jahren vorher höchstpersönlich dafür gesorgt,
dass insbesondere die Straße „Nonnenmauer“ Furchen sowie Pflasterabrieb
aufweist, wie man sie vielleicht noch von Bundesfernstraßen kennt, kurz bevor
die rechte Spur mal wieder für Sanierungsarbeiten gesperrt wird.
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"Gutachter": "Keine Absenkungen" |
Aber all das war vorher schon da,
gutachten nun die Gutachter. Ob diese Furchen wohl durch exzessiven
Fahrradverkehr hinauf und herab verursacht wurden, zum und vom Dom beim
täglichen Kirchgang? Oder durch Schwerlastrollatoren bei den geführten
Stadtbesichtigungen? Sicher. Denn wer am Straßenbau der Altstadt irgendeine
Veränderungen erkennt, unterliegt wohl einer Halluzination. Pflasterabsenkungen
konnten die „Spezialisten“ nämlich absolut keine feststellen, genauso wenig wie
Schäden an Kanalisation und anderen Leitungen.
Gerade einmal 160.000 Euro seien
erforderlich, die Straßen wieder in einen perfekten Zustand zu versetzen,
ließen die „Unabhängigen“ verlautbaren. Und von dieser Summe hätte die Stadt
die Hälfte wegen der „Vorschäden“ zu tragen.
Auf welche Art und Weise diese
Berechnungen durchgeführt wurden, zeigt eine der wenigen konkreten Angaben, die
dem „Gutachten“ zu entnehmen waren. Für den Wiederaufbau der eingerissenen
Bruchsteinmauer am als Handwerkerparkplatz missbrauchten Parkgelände wurden
8.000,-- € angesetzt. In Worten: Achttausend.
Sieht man einmal davon ab, dass
der Totalschaden an der zugehörigen Grünanlage vollkommen unberücksichtigt
blieb, verdient diese genannte Summe eine genauere Betrachtung.
Zerstört wurde die Wand auf eine
Länge von 23 Metern. Diese hatte einmal eine Höhe von 2 Metern. Zu ersetzen
wären also 46 m² Mauerfläche. Es handelte sich um eine massive Bruchsteinwand.
Da ich kürzlich das Vergnügen hatte, eine Mauer nach Maßgaben des
Denkmalschutzes zu errichten, weiß ich zufällig, was ein Fachmann heute als
Preis aufruft. In diesem Fall wäre eine beidseitig mit Bruchstein verkleidete
Betonmauer die naheliegende Lösung, da eine ECHTE Bruchsteiwand ein Vielfaches
kosten würde. Für den m² verlangt ein Betrieb für ein solches Gewerk 680,-- €
netto. Das ergibt bei 46 m² für das Mauerwerk alleine 31.280,-- €. Dazu kommt
die Abdeckung, in der billigsten Betonausführung für 80,-- € pro Meter, ergibt
1.840,-- €. Die erforderliche Armierung mit Matten und Rundstahl kostet noch
einmal rund 2.000,-- €. Zusammen sind dies netto 35.120,-- €. Einschließlich
Mehrwertsteuer also rund 42.000,-- €. Dabei ist aber noch nicht einmal
berücksichtigt, dass mit ziemlicher Sicherheit kein tragfähiges Fundament für
diese Mauer mehr vorhanden ist, so dass auch dieses neu hergestellt werden
müsste. Damit könnte der Preis für die Beseitigung des bischöflichen Abbruchexzesses
alleine an dieser Stelle schnell 50.000,-- € betragen.
Das „Gutachten“ jedoch setzt
kurzerhand weniger als 1/5 dieser Summe an!
Dies fiel offenbar auch
wenigstens einem in Baudingen nicht völlig unbeleckten Ausschussmitglied auf,
das bemerkte, die Kosten dürften da wohl etwas höher liegen.
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Nix passiert, eigentlich: Kleine Mauerlücke |
Doch was wieder einmal ausblieb,
war jegliches kritische Hinterfragen des präsentierten Papierwerks. Wenn ein „Gutachter“
es fertigbringt, bereits bei einem ganz einfachen, von jedem Laien festzustellenden
Gewerk den entstandenen Totalschaden auf ein Fünftel der realen Kosten
herunterzu…, sagen wir einmal „rechnen“, wie bitte ist es dann um alle anderen
Feststellungen dieses „Fachmanns“ bestellt? Wie sieht es mit den Schäden aus,
für deren Ermittlung tatsächlich explizite Sachkenntnis erforderlich ist?
Schafft es ein Gutachter, in
einer Expertise in einer mehr als simplen Angelegenheit derart daneben zu
liegen, dann ist das GESAMTE Gutachten damit unseriös und vollkommen wertlos
und kann auf keinen Fall als verlässlich und als Grundlage für
Schadensersatzforderungen herangezogen werden.
Es stellt hier zwingend die
Frage, wem diese „Expertise“ dienen soll. Die Antwort liegt dabei, wie so oft,
offensichtlich und in Limburg doch maximal mit einem Achselzucken bedacht, auf
der Hand. Das besagte Gutachten hatte einzig und alleine den Sinn zu
konstatieren, dass praktisch keine, vom Bistum zu ersetzenden Schäden an
öffentlichem Eigentum durch den exzessiven Baustellenverkehr zum bischöflichen
Prunk- und Protzbau von Weltgeltung entstanden sind.
Diesem Ziel wurden alle
Realtitäten untergeordnet – und die kirchenhörigen nominellen Volksvertreter
nicken wieder einmal andächtig alles ab.
Zahlen muss am Ende JEDER Bürger
der Stadt.
Es steht nämlich Folgendes zu
erwarten.
Die Stadt Limburg vereinnahmt die
angesetzen 80.000,-- € und tut: NICHTS.
In zwei bis drei Jahren, wenn
genug Menschen sich auf der Berg- und Talbahn Nonnenmauer die Knöchel
verstaucht haben und geknickte Gas-, Wasser- und Kanalleitungen ihre Inhalte
preisgegeben haben, wird die Stadt Limburg feststellen, dass die betreffenden
Straßen marode sind. So marode, dass sie saniert werden müssen. Unbedingt. Und
schnell.
Die zuständigen Ausschüsse werden
andächtig nicken – und das übliche Architekturbüro in Bad Camberg beauftragen,
eine Expertise über die erforderlichen Arbeiten abzugeben. Dann wird der
Auftrag ausgeschrieben, das übliche Tiefbauunternehmen erhält den Zuschlag –
und die Stadtverordnetenversammlung beschließt eine Magistratsvorlage, dass die
ANLIEGER der betroffenen Straßen deren Sanierung zu 100% zu tragen haben. Der
Umlageschlüssel wird dann wieder einmal gewinnmaximierend in einem Hinterzimmer
ausgewürfelt, so dass am Ende das Doppelte der Summe, die für die Baumaßnahmen
erforderlich sind, herauskommt.
Ohne dass jemand fragt.
Die Limburger Altstadtbewohner,
bekanntlich ja alles Millionäre, werden wieder mit den Zähnen knirschen, auf
den Straßen herumstehen, maulen und schimpfen, und dann die Sparbücher plündern
und zahlen.
Denn „man kann ja gegen die nix
machen“.
Kann man wirklich nicht?
Ich denke: Man kann doch. Und man
MUSS.
Demnächst mehr zu diesem Thema an
dieser Stelle.